Artikel: Merget macht’s
Im Februar startet die dritte Staffel des DB MOBIL-Podcasts „Unterwegs mit ...“. Auch diesmal begrüßen wir ein neues Gesicht als Host: Sebastian E. Merget. Lesen Sie hier, wieso er mit Mitte 30 noch mal neu anfing, was er von Tim Mälzer über das Podcasten lernte und was ihn mit der Bahn verbindet.
Schuld ist Katrin Bauerfeind, da ist sich Sebastian E. Merget sicher. Es muss gut zehn Jahre her gewesen sein, Merget erlebte gerade den Höhenflug seiner Karriere als Werbetexter, über 100 nationale und internationale Preise hatte er eingesammelt, auch den Goldenen Löwen in Cannes. Nun also die nächste Verleihung, Sieg in allen Kategorien, mal wieder. Comedienne und Moderatorin Bauerfeind führte durch das Programm, Merget ging dreimal hoch zur Bühne, Preis abholen, stehen bleiben, Erinnerungsfoto. „Später kam sie zu mir und fragte, sag mal, was war denn mit dir los, du gewinnst dreimal den Preis und dreimal schaust du, als ob du in einen sauren Apfel gebissen hast“, erinnert Merget sich an diesem Januartag in einem Café im Hamburger Westen. Seine Antwort damals: weil mir mein Job keinen Spaß mehr macht. Bauerfeind fragte: Was würdest du stattdessen gerne tun? Merget antwortete, ohne zu überlegen: das, was du machst. Da riet Bauerfeind ihm, genau jetzt damit anzufangen, ein Management zu suchen, sich vorzustellen, Moderationsjobs finden, egal was. Merget bewarb sich bei Bauerfeinds Management mit einer besonderen Video-Idee: In einem Showreel interviewte er einfach sich selbst.
Heute muss Merget, dunkelblonde Locken, Dreitagebart, runde Brille und freundliches Gesicht, keine Selbstgespräche mehr führen, er moderiert allerlei Veranstaltungen für Unternehmen, Initiativen, Preisverleihungen. Er hat während der Pandemie zwei eigene Podcasts gelauncht sowie ein Videoformat, in dem prominente Gäste wie TV-Moderatorin Linda Zervakis oder Revolverheld-Sänger Johannes Strate ein Thema „raushauen“ dürfen, das sie beschäftigt. Zudem moderiert er seit knapp vier Jahren den Podcast „Fiete Gastro“ als Sidekick und Gesprächslenker für Tim Mälzer, der dort meist Menschen aus der Restaurant- und Barszene empfängt.
Vom Werbegesicht zum Podcaster
Ab Februar 2023 führt Merget zudem als neuer Gastgeber durch die dritte Staffel des DB MOBIL-Podcasts „Unterwegs mit …“. „Dass ich ihn hosten darf, ist schon etwas Besonderes für mich“, sagt Merget und wirkt dabei fast ein bisschen beschämt, als ob er es selbst noch nicht ganz glauben kann. Ein Mann, der von sich sagt, er langweile sich, wenn er nicht arbeite. Der aber auch nicht traurig ist, wenn er die Bühne oder das Podcast-Studio verlässt.
Ein bisschen schließt sich dabei auch ein Kreis: Seit Jahren kommentiert er seine Bahnfahrten euphorisch in kleinen Videos auf seinem Instagramkanal, beteuernd, dass er quasi nie Verspätungen erlebe. Und vor einiger Zeit bewarb er, Tatsache, die damals neue App DB Navigator sogar mit seinem Gesicht. Ans Shooting erinnert er sich ungern, zwei Cheeseburger waren ihm am Vorabend im Wortsinn auf den Magen geschlagen. Die Evolution vom Werbegesicht zum Podcast-Host schmeckt ihm hingegen sehr.
Dass der Junge auf die Bühne muss, dass er gehört werden möchte, verstanden seine Eltern schon früh, wenn man Mergets Ausführungen folgt. Sebastian, der mittlere dreier Söhne, war schon immer derjenige, der die Hand am höchsten hob, wenn er etwas wollte. Der mit der Bürste vor dem großen Spiegel im Flur der Eltern im beschaulichen Taunus posierte, der Drafi Deutscher bei der „Mini Playback Show“ sang. Der am Ende seiner Schulzeit aber trotzdem nicht so recht wusste, wohin er gehörte.
Neuanfang nach dem Burn-out
Werbung vielleicht, in der Werbung muss man schlagfertig sein. Schlagfertigkeit, damit hat er kein Problem. „Aber ich habe schnell gemerkt, dass mir die Werbung nicht so viel Spaß macht, wie sie sollte.“ Ein Geschäft, in dem solche als erfolgreich galten, die nicht nur kreativ waren, sondern auch am längsten durchhielten. Merget kam voran, wechselte in gute, bessere Agenturen. „Aber mir fehlte die Leidenschaft, die Extra-Meile zu gehen“, sagt er. Und irgendwann auch die Kraft. Er entwickelte psychosomatische Symptome, hatte plötzlich nur noch wenig Lust, hielt Ideen zurück, um nicht in der Gruppe zu sein, die das ganze Wochenende durcharbeitete für einen Pitch. „Heute würde man das wohl Burn-out nennen“, sagt Merget lakonisch. Dann trat er seinen letzten Job in der Werbung an, wurde kurze Zeit später aber von seinem Chef drei Monate freigestellt, „damit du dich auf deinen neuen Beruf vorbereiten kannst“, so gibt Merget es wieder. Diesem Chef ist er dankbar.
Merget ist Autodidakt, er lässt sich gerne inspirieren, aber ungern belehren, was richtig ist und was falsch, seinen Beruf betreffend. Seine Arbeit als Podcaster erfüllt er mit einer ständigen Frage im Kopf: „Ist es narzisstisch, präsent sein zu wollen, oder gehören sprichwörtlich immer zwei dazu?“, fragt er. Merget ist es wichtig, gut vorbereitet zu sein auf seine Gäste, um sie positiv zu bauchpinseln, wie er sagt. Er liest allgemein viel, weil er sich damit sicherer wägt. Durch die Arbeit mit Tim Mälzer fühlt er sich gewappnet für beinahe alles. „Das ist die härteste Schule, durch die man gehen kann.“ Mälzer ist für seine hitzigen Kommentare und radikale Ehrlichkeit bekannt, Merget schätzt an ihm, dass er immer neugierig ist und in einem positiven Sinne unzufrieden, stets darauf bedacht, es besser zu machen.
König der Pilotfolgen
Das ist auch Merget selbst wichtig. „Wenn ich in einen Fettnapf trete oder einen Fehler mache, regel ich das gerne direkt“, sagt er. Gerade, was inklusive Sprache angeht, mache er ab und zu Fehler, „ich komme aus der Werbebranche, dort sprach man lange Zeit recht hitzig mit- und untereinander, gendergerechtes Miteinander war damals noch kein Thema“. Aber Merget will lernen, er ist ein großer Fan der jungen Generation, die zwar manchmal nerve, aber die Welt retten werde, wie er glaubt. „Dank ihr bin ich fest davon überzeugt, dass wir die Welt hinkriegen, sie wird jeden Tag zu einem besseren Ort.“ Und bittet kleinlaut um Nachsicht bei Verfehlungen, für ihn, aber auch für andere.
Für sich persönlich hat er das Jahr der Genügsamkeit und Dankbarkeit ausgerufen, inspiriert von seinem Vater und einer guten Freundin. Er möchte das schätzen, was er hat, und nicht nach dem nächsten großen Ding jagen. Ziel erreicht also, mit bald Mitte 40? Natürlich nicht. „Ich träume immer noch davon, eine Fernsehshow zu moderieren“, sagt er. Irgendwann möchte er in einer Talkshow sitzen und räsonieren, dass manchmal die Dinge eben länger dauern und dann gut werden. „Ich bin nämlich der King of Pilots“, verrät Merget – König der Pilotfolgen, die es am Ende doch nicht geschafft haben. So wie bei seinem allerersten Auftrag als Moderator: Eine Promisendung für Sat.1, gemeinsam mit Hendrikje Koop, der ehemaligen Chefreporterin von „Gala“, geschrieben von Micky Beisenherz, großes Ding, geklappt hat es leider nicht. Manchmal wünscht er sich, schon ein paar Jahre früher der Werbung den Rücken gekehrt zu haben, dann wäre er ein Kandidat für die Generation Viva gewesen. (Tipp für die Jüngeren: Wikipedia-Eintrag „Viva“, Kapitel „Moderatoren“)
Demotivieren lässt er sich eh nicht mehr, „in der Branche geht es zu oft um geschmäcklerische und persönliche Befindlichkeiten“. Lieber konzentriert er sich auf sich – und Leute, die er trifft. „Am Ende des Tages kommt es vor allem darauf an, den Menschen freundlich zu begegnen“, sagt Merget. Das klappe noch nicht immer so gut, er sei eher ein emotionaler Typ. Aber er übe ständig.