Artikel: Die wichtigste Stimme der DB
Der gebürtige Ukrainer Oleksandr Gorskyi hat früher bei DB Station & Service gearbeitet. Nun ist seine Stimme das Erste, was die Geflüchteten aus der Ukraine hören, wenn sie in Berlin ankommen. Eine Geschichte voller Hilfsbereitschaft und Dankbarkeit.
„Sehr geehrte Geflüchtete aus der Ukraine, willkommen in Berlin“: Mit diesen Worten werden die Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, am Hauptbahnhof begrüßt – auf Ukrainisch. Eingesprochen hat die Ansage der ehemalige DB-Mitarbeiter Oleksandr Gorskyi.
Gorskyi stammt selbst aus der Ukraine und ist vor rund zehn Jahren zum ersten Mal nach Deutschland gekommen. In Magdeburg hat er studiert, heute wohnt er in Berlin. Zu Beginn der Corona-Pandemie war er einige Zeit bei DB Station & Service beschäftigt. Der Krieg in seinem Heimatland hat ihn nun auf außergewöhnliche Weise zurück zu seinem alten Arbeitgeber geführt.
"Wir brauchen dich hier"
Wie viele andere Ukrainer:innen hat Oleksandr Gorskyi den Krieg kommen sehen: „Wir wussten alle, da passiert bald etwas.“ Gemeinsam mit Bekannten sammelte er von Berlin aus schon vor der Invasion Hilfsgüter – Decken, Ladekabel, Handy-Akkus. Er hat Freund:innen in Kiew und Charkiw, auch seine Eltern leben in der Ukraine und wollen dort bleiben. Als der Krieg dann tatsächlich begann, wollte Gorskyi ins polnisch-ukrainische Grenzgebiet fahren, wo besonders viele Menschen auf der Flucht sind. „Ich wollte sehen, was ich tun kann, helfen, wo es geht.“ Doch ein ehemaliger DB-Kollege meldete sich und bat ihn: „Fahr nicht, wir brauchen dich hier.“
Hier, das ist der Berliner Hauptbahnhof, wo derzeit jeden Tag Züge mit Geflüchteten aus der Ukraine ankommen. Im Untergeschoss, zwischen Restaurants und Geschäften und mit Blick auf die Bahnsteige in der Tiefebene, befindet sich die zentrale Anlaufstelle. Auf der einen Seite verteilen Mitarbeiter:innen der DB unbürokratisch Tickets für die Weiterfahrt, auf der anderen gibt es Essen und Getränke. Dazwischen: Decken und warme Kleidung, Hygieneartikel, eine Spielecke für Kinder. Freiwillige in gelben und orangenen Warnwesten bieten Unterstützung in zahlreichen Sprachen, auf Ukrainisch, Russisch, Arabisch, Englisch. In einer Ecke gibt es Hilfe in Gebärdensprache. Rund eine Woche nach Beginn des Krieges herrscht eine Art organisiertes Durcheinander: Es ist sehr hektisch, aber alles läuft in geregelten Bahnen. Die Abläufe haben sich eingespielt.
Vom freiwilligen Helfer zum Bahnhofsansager
Am 1. März, fünf Tage nach dem russischen Einmarsch in seiner Heimat, ist Gorskyi zum ersten Mal am Hauptbahnhof und fragt sich, was er tun kann. Andere sind ebenfalls gekommen, auch Berliner:innen aus der Ukraine. Sie werden vor allem zum Übersetzen gebraucht, vermitteln Schlafplätze, helfen den Ankommenden bei der Orientierung. Am Abend, kurz vor der Ankunft des zweiten Sonderzuges aus Polen, erfährt er: Cornelia Kadatz, die Managerin der Berliner Fernbahnhöfe, ist vor Ort und möchte ihn sprechen. Sie bittet Gorskyi, ukrainische Durchsagen für die ankommenden Züge aufzunehmen.
Und es muss schnell gehen, denn der Zug kommt in zehn Minuten. Cornelia Kadatz diktiert einen Text: Eine kurze Begrüßung, die wichtigsten Hinweise für den Weg durch den Bahnhof. Oleksandr Gorskyi übersetzt. Als der Zug um 22:16 eintrifft, spricht er die Ansage live.
Das Ankommen leichter machen
Mit dieser einen Durchsage ist es natürlich nicht getan: Weitere Züge werden kommen, der nächste wird für den darauffolgenden Morgen erwartet. Gorskyi wendet sich an seinen Arbeitgeber, der ihn ohne zu zögern freistellt. Die Ansage für den Zug morgens macht Gorskyi noch einmal live am Hauptbahnhof, später fährt er für die Aufnahme nach Spandau. Außerdem übersetzt er Hinweisschilder. Sie sind nun überall im Bahnhofsgebäude zu sehen, kleine Details, die das Ankommen ein wenig erleichtern sollen.
Gorskyis Stimme begrüßt die Geflüchteten jetzt vom Band – er selbst ist weiter als Freiwilliger auf dem Bahnhof unterwegs. Am langen Wochenende um den Weltfrauentag, der in Berlin ein Feiertag ist, war er noch einmal als Live-Ansager im Einsatz: Von der deutsch-polnischen Grenze in Frankfurt (Oder) aus hat er einen weiteren Zug mit Geflüchteten nach Berlin begleitet.
Am Hauptbahnhof beeindruckt ihn eines jeden Tag aufs Neue: die Hilfsbereitschaft. Ukrainer:innen, Russ:innen und Deutsche sind ebenso vor Ort wie Menschen aus Amerika, Frankreich oder sogar Japan. „Die Leute wollen einfach helfen. Sie nehmen völlig Fremde bei sich zu Hause auf, versorgen sie mit Essen, einer warmen Dusche, einem Schlafplatz. Es ist unglaublich.“, sagt Gorskyi. „Danke, liebe Berliner.“