Artikel: Bunte Unterwasserwelt gegen Vandalismus
Optisch ansprechende Durchgangs- und Aufenthaltsbereiche – das sorgt bei Reisenden für ein gutes Gefühl. Im Reich von Stuttgarts Bahnhofsmanager Nikolaus Hebding tut sich da eine Menge: An 30 der 90 Stationen hat Kunst Einzug gehalten und hilft, Vandalismus zu verhindern – so auch in der Fußgängerunterführung der Stuttgarter S-Bahnstation Sommerrain. Wie es dort jetzt aussieht.
Erfrischende Kunst am Bahnhof Sommerrain: Der Graffitikünstler Christoph Ganter alias Jeroo hat die Fußgängerunterführung am Bahnhof Sommerrain in bunten, freundlichen Farben gestaltet. Verschiedene bunte Fische umschwimmen blaue Blasen und das grüne Logo der S-Bahn Stuttgart. „Mein Gedanke war, dass die Reisenden in die Unterführung abtauchen und da lag das Fischmotiv dann nahe“, sagt Jeroo.
Drei Wochen lang hat er am Motiv gearbeitet und dabei rund 250 Dosen versprüht. Die Fußgängerunterführung der S-Bahnstation Sommerrain ist dabei nicht nur ein Hingucker. Sie ist ein vollständig veränderter Ort. Wobei die abgebildeten Welse oder Forellen trotz ihrer Dimensionen fast lebendig wirken und ein farbenfroher Klecks auf dem Weg ins Büro, in die Schule oder nach Hause sind. Jeroo wurde beim Sprühen immer wieder von Passanten auf das schöne Motiv angesprochen: „Es kommt gut an bei den Leuten“.
Das weiß auch Nikolaus Hebding, Leiter des Bahnhofsmanagements Stuttgart: „Wir haben bereits mehr als 30 Bahnhöfe in der Region mit Graffitikunst gestalten lassen“, sagt er, „Das zahlt sich aus, denn die gestalteten Wände werden viel weniger von illegalem Graffiti besprüht, die Reisenden fühlen sich wohler.“ Parallel zu den neu gestalteten Wänden erhält die Unterführung neue Edelstahl-Handläufe. Die Treppenstufen werden ebenfalls überarbeitet und mit einem ansprechenden Belag versehen.
Die Deutsche Bahn und Graffiti, ein ambivalentes Thema. Ein Zug nachts auf dem Abstellgleis, eine frisch gestrichene Wand im Bahnhof, eine Scheibe in der S-Bahn – die Deutsche Bahn ist leider immer noch regelmäßig Ziel von Graffiti und Vandalismus. Der Schaden, der dadurch entsteht, beläuft sich 2022 auf fast 40 Millionen Euro. Geld, das die DB lieber zum Nutzen ihrer Kund:innen einsetzen würde. Nicht zuletzt bringen sich viele Sprayer in Gefahr, wenn sie Bahnanlagen betreten.
Jeroo hat im Alter von 12 Jahren angefangen mit der Graffitikunst. Dabei hat auch er sich damals häufig in Gefahr gebracht, „Mit 16 wurde ich erwischt, dann musste ich Arbeitsstunden ableisten“. Mittlerweile sprüht er nur noch legale Auftragsarbeiten. „Es macht für mich mehr Sinn, sich tagsüber mit mehr Zeit auf die Qualität der Bilder zu konzentrieren“, sagt er. Das sei aber nur möglich, da in den letzten 30 Jahren Graffiti als Kunstform Einzug in die breite Gesellschaft gefunden habe und Auftragsarbeiten erwünscht und geschätzt würden. „Die Künstler freuen sich über so eine Wand und die Leute freuen sich über ein schönes Kunstwerk“, sagt er.
„Es ist sicher nicht unser letztes Vorhaben in Sommerrain“, erklärt Hebding. Schließlich sorgt die Unterwasser-Kunst, die gemeinsam mit der Stadt Stuttgart und dem Verein „Sicheres und sauberes Stuttgart" realisiert wurde, auch dafür, dass wilde Schmierereien oder stumpfer Vandalismus zurückgehen oder komplett ausbleiben. Diese Win-Win-Situation sieht auch Klaus Thomas, Vorsitzender des Fördervereins „Sicheres und Sauberes Stuttgart“. „Es geht hier ganz viel um die Optik und in einer hellen, freundlichen Unterführung haben die Leute einfach ein besseres, sichereres Gefühl“, sagt er. Das ist am Bahnhof Sommerrain deutlich zu beobachten: Die Passanten bleiben stehen und betrachten interessiert die bunten Fische, die an diesen warmen Sommertagen eine erfrischende Atmosphäre hervorrufen. Das „Abtauchen“ in eine andere Welt, scheint zu funktionieren.