Zwischen Tradition und Moderne: Weichenwerk in Witten feiert 160. Jahrestag

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08. September 2023, 12:30 Uhr
Düsseldorf

Artikel: Zwischen Tradition und Moderne: Weichenwerk in Witten feiert 160. Jahrestag

Werk im Herzen Nordrhein-Westfalens produziert jährlich rund 1.300 neue Weichen für das gesamte deutsche Schienennetz • Modernes Schmiedeverfahren und Einsatz von Schweißroboter sorgen für effiziente Produktion • DB investiert in Witten bis 2030 rund 30 Millionen Euro in weitere innovative Technik

Feierstunde im Ruhrgebiet: Die Deutsche Bahn (DB) hat heute mit einem großen Jubiläumsfest den 160. Geburtstag des Weichenwerks in Witten gefeiert. Das Werk im südlichen Ruhrgebiet ist die Herzkammer der Weichenproduktion in Deutschland – jedes Jahr werden hier rund 1.300 neue Weichen angefertigt. Das sind etwa zwei Drittel der Weichen, die die DB jährlich bundesweit im Schienennetz neu verlegt. Die „stählernen Kolosse“ – eine Weiche wiegt im Durchschnitt rund 67 Tonnen – sind neben Schiene, Schotter und Schwellen das Fundament der Eisenbahninfrastruktur: Ohne sie wäre es nicht möglich, den Zugverkehr im System Schiene flexibel zu steuern.

Heike Junge-Latz, Vorständin Anlagen- und Instandhaltungsmanagement bei der DB Netz AG: „Ich freue mich sehr, dass wir heute bereits 160 Jahre Weichenproduktion in Witten feiern können. In den vergangenen Jahren ist der Bedarf an Weichen durch unsere wachsenden Investitionen in der gesamten Bundesrepublik nochmals enorm angestiegen – im letzten Jahr allein um rund 30 Prozent. Und: Er wird auch in Zukunft weiter zunehmen. Für die Generalsanierung der hochbelasteten Korridore im Schienennetz werden wir mehr Weichen brauchen als jemals zuvor. Nur so schaffen wir es, den Zugverkehr flexibler – und damit pünktlicher – zu steuern und unseren Fahrgästen einen zuverlässigen Fahrplan zu bieten. Ich bedanke mich bei allen Mitarbeitenden in Witten, die uns diesem Ziel durch ihren Einsatz jeden Tag näherbringen.“

Quelle: Deutsche Bahn AG / Franciska Martinovic
(v.l.n.r. Lars König, Bürgermeister der Stadt Witten; Heike Junge-Latz, Vorständin Anlagen- und Instandhaltungsmanagement bei der DB Netz AG; Holger Schwarz, Leiter des Weichenwerk Witten)


Um künftig noch mehr Weichen für das Schienennetz zu liefern, investiert die DB auch in den nächsten Jahren weiter in das Werk: Bis 2030 sollen rund 30 Millionen Euro in weitere Innovationen, wie zum Beispiel einen weiteren Schweißroboter und neuen Fräsmaschinen fließen. Außerdem baut die DB auf zusätzliches Personal: In den letzten fünf Jahren hat das Werk bereits 100 neue Kolleg:innen eingestellt. Bis 2024 sollen nochmal 50 bis 70 zusätzliche Mitarbeitende folgen – besonders gefragt sind dabei vor allem Industriemechaniker:innen, Logistiker:innen und Zerspanungsmechaniker:innen.

Effiziente Produktion durch moderne Technik

Rund 500 Mitarbeitende sorgen aktuell dafür, dass das Werk in Witten seit Jahrzehnten zuverlässig Weichen produziert. Modernste Computertechnik und innovative Hightech-Großmaschinen unterstützen sie in der Produktion. Seit diesem Jahr ist beispielsweise ein vollautomatischer Schweißroboter für die Produktion der so genannten Weichenherzstücke im Einsatz. Der Roboter vermisst die Bauteile mit einer Lasertechnik und übernimmt anschließend vollautomatisiert das Schweißen. So kann die Maschine jährlich rund 2.400 Herzstücke herstellen. Das Herzstück beschreibt die Stelle der Weichenverbindung, an der sich die zwei Schienenstränge treffen. In den nächsten Jahren plant die DB einen zweiten Schweißroboter im Werk einzusetzen. Darüber hinaus kommt in Witten auch ein modernes Schmiedeverfahren zum Einsatz: Beim sogenannten monolithischen Schmieden wird das Herzstück der Weiche aus nur einem Teil gefertigt. Durch das Verfahren verringert sich der Arbeitsaufwand pro Herzstück um rund vier Stunden. Mit Hilfe der modernen Einsatztechniken haben die Mitarbeitenden des Weichenwerks beispielsweise in nur sechs Monaten über 30 neue Weichen für die Neubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm gebaut.

Von der Werkstatt zur größten Einzelteilschmiede Deutschlands

Gegründet wurde das Werk im Jahr 1863 als „Central-Werkstatt“ der Bergisch-Märkischen-Eisenbahn-Gesellschaft. Damals lag der Fokus neben der Fertigung von Weichen auch auf der Reparatur von Lokomotiven und dem Bau von Signalanlagen. Im Laufe der Jahrzehnte verlagerte sich der Schwerpunkt auf die Produktion von Weichen: Im Jahr 1928 fertigte das Werkspersonal erstmals eine komplette Weiche aus selbstgefertigten Einzelteilen. Bis Mitte der 1940er Jahre entstand dann auf dem heutigen Werksgelände eine neue Weichenrichthalle, in der ausschließlich Weichen und Weichgroßteile produziert wurden. Seit 1965 ist das Weichenwerk in Witten die einzige „Weichenschmiede“ der DB. Neben den rund 1.300 neuen Weichen produziert das Werk jährlich auch über 10.000 Weichenersatzteile.

„Wussten Sie schon, dass…?“ – Fünf Fakten zum Weichenwerk Witten

  1. Auf dem Gelände des Weichenwerks Witten ist 2018 ein Trainingszentrum für die Ausbildung von Weichen- und Signaltechniker:innen entstanden. Die Auszubildenden lernen hier praxisnah: auf einem riesigen „Weichenfeld“ und im virtuellen Raum. Im Mittelpunkt steht dabei das „Weichenfeld“ auf dem Freigelände. Hier lernen die Teilnehmer:innen direkt an echten Gleisen, wie das System Schiene aufgebaut ist und wie man dank digitaler Diagnoseverfahren Fehler erkennen und ihre Entstehung direkt an der Weiche beheben kann.
  2. Das Weichenwerk Witten fertigt im Jahr rund 2.800 sogenannte Herzstücke. Hier laufen die beiden inneren Schienen zweier Gleise zusammen. 300 dieser Herzstücke werden aus Bainit hergestellt – ein Material, das bei der Wärmebehandlung von kohlenstoffhaltigem Stahl entsteht. Weltweit ist das Weichenwerk Witten das einzige, das Herzstücke aus diesem extrem verschleißarmen Stahl produziert.
  3. Das Weichenwerk Witten bietet auch kurzfristige Hilfe. Dringend benötigte Weichen können durch das Notfallmanagement innerhalb von nur 24 Stunden bundesweit ausgeliefert werden – und das rund um die Uhr.

  4. Die Schienen, die im Weichenwerk Witten lagern, sind zusammen rund 75.000 Meter lang – das entspricht der Strecke von Witten nach Düsseldorf. Das längste Bauteil, das hier vorrätig ist, hat eine Länge von 77 Metern. Damit überragt die XXL-Weiche die Siegessäule in Berlin um zehn Meter.

  5. Werkhallen und Außenbereiche des Weichenwerks kommen zusammen auf eine Fläche von rund 142.000 Quadratmeter. Das entspricht der Größe von 20 Fußballfeldern.