Die rostigen Riesen

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Artikel: Die rostigen Riesen

Alte Bahnhöfe, stillgelegte Strecken, Werke im Ruhestand: die verlassenen Orte der DB. Einige werden wiederbelebt, andere zu historischen Stätten. Um viele ranken sich Geschichten – geheimnisvoll und spannend. Heute besuchen wir die letzte Ruhestätte für Großdampfloks in Hermeskeil.


Die Handschrift der Vergänglichkeit ist allgegenwärtig. Braunroter Rost überzieht den Stahl, die Korrosionsspuren haben sich tief in die Oberflächen hineingefressen. Moose und Flechten wuchern, Löcher klaffen, die Stahlhaut wirft Schuppen. Doch der Verfall kann das Majestätische, das die schweren Zugmaschinen mit ihren mächtigen Kesseln ausstrahlen, nicht überdecken. Die rostigen Riesen – sie tragen die Patina mit Würde.

50 Großdampfloks, aber auch Diesel- und E-Loks, ruhen auf dem ehemaligen Bahnbetriebswerk Hermeskeil im Schwarzwälder Hochwald, nur wenige Kilometer von der saarländischen Landesgrenze entfernt. Schnellzuglokomotiven und schwere Güterzuglokomotiven stehen Puffer an Puffer. Die älteste Zugmaschine ist eine preußische T3 aus dem Jahr 1913, eine der jüngsten ist eine Ludmilla-Diesellok mit dem Baujahr 1975. Hersteller wie Borsig, Schichau, Henschel und Kraus-Maffei sind vertreten.

Für sie alle ist das Bahnbetriebswerk die letzte Ruhestätte. Auch wenn einige der Loks noch fahrbereit sind, gibt es keinen Weg zurück. Der Gleisanschluss zum benachbarten Bahnhof Hermeskeil wurde 2018 zurückgebaut. Die ehemalige Trasse der Hochwaldbahn in Richtung Trier und Nonnweiler ist inzwischen ein Radweg.

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Ende des Sliders

Bahnbetriebswerke wie jenes in Hermeskeil – es stammt aus dem Jahr 1888 – hatten besonders im Zeitalter der Dampflokomotiven eine große Bedeutung für den reibungslosen Eisenbahnbetrieb. Die Loks wurden hier gewartet und vorbereitet, mit Wasser, Kohle, Bremssand befüllt, die Schlacke wurde entfernt, die Rauchkammern gereinigt, kleinere Reparaturen durchgeführt. Durch den Traktionswechsel auf Diesel- und Elektroloks verloren die Bahnbetriebswerke immer mehr an Bedeutung. Ab 1956 löste die Deutsche Bundesbahn 77 von ihnen auf, darunter auch das in Hermeskeil.

Der sogenannte Bekohlungskran thront noch immer auf dem Gelände. Auch die Drehscheibe, mit der die Loks in die entsprechende Fahrtrichtung ausgerichtet wurden, ist noch vorhanden. „Die Scheibe ist sogar noch funktionstüchtig“, erklärt Bernd Falz. Der Eisenbahn-Enthusiast ist der Herr über das Gelände – 1986 hat er es von der Bahn erworben. Von April bis September empfängt Falz jedes Wochenende und im Juli sowie August täglich Besucher:innen in seinem „Dampflok-Museum“. „Andere sammeln Briefmarken, ich sammle Loks“, sagt er.

Quelle: DB/Tina Henze

Schon als Kind – Falz ist an einer Bahnstrecke groß geworden – wollte er Lokführer werden. Doch seine Eltern bestanden „auf einen Beruf, der lukrativer ist“. So verschlug es ihn in die Welt der Datenverarbeitung. Seinen Traum hat sich der einstige Unternehmensberater dennoch erfüllt: Mit 50 Jahren startete er eine dreijährige Ausbildung zum Lokführer und legte sich eine DR V300 zu. Mit seiner „Ludmilla“ war er viele Jahre unterwegs, um zum Beispiel für die DB Bahnbau Gruppe Charterdienste zu übernehmen.

Bereits 1976 begann Falz, Lokomotiven zu sammeln. Zunächst von der Bahn ausgemusterte Dampfloks, nach der Wende kamen Zugmaschinen aus den Beständen der Deutschen Reichsbahn hinzu, ebenso Loks der rumänischen und bulgarischen Eisenbahnen. 50 Exemplare stehen in Hermeskeil, 100 weitere Exemplare seiner privaten Sammlung sind im brandenburgischen Falkenberg/Elster, 90 Kilometer südlich von Berlin, deponiert. Auch diese Loks kann man in den Sommermonaten besichtigen.

Die Faszination Dampflok ist ungebrochen. Ende September, es ist das letzte Wochenende des Jahres, an dem das Museum in Hermeskeil geöffnet hat, streifen ein Dutzend Besucher:innen über das Gelände. Einige von ihnen halten die besondere Ästhetik von Rost und Patina mit der Kamera fest. Im Rundschuppen erkunden Eltern und Großeltern mit dem Nachwuchs „Ludmilla“, Dieselloks der Baureihe 100 oder E-Lokomotiven der Baureihen E44 und E94. Kinderaugen leuchten, denn hier darf auch in den Führerstand geklettert werden. „Wenn es meine Gesundheit zulässt“, sagt Bernd Falz und rückt seine Heizerkappe zurecht, „öffne ich kommenden April wieder.“ Für den Eisenbahnenthusiast gibt es nichts Schöneres, als seinen wahr gewordenen Kindheitstraum mit möglichst Vielen zu teilen.

Eine Übersicht über den Fahrzeugbestand des Dampflok-Museums Hermeskeil und der privaten Loksammlung in Falkenberg/Elster sowie weitere Informationen, auch zu den Öffnungszeiten, gibt es hier.