110 Prozent Bahnhofsservice – ein Geldtaschen-Krimi

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Artikel: 110 Prozent Bahnhofsservice – ein Geldtaschen-Krimi

Jeden Tag werden fast 700 Gegenstände in den DB-Fundbüros abgegeben. Ein besonders wertvolles Fundstück fand dank des beherzten Engagements von Service-Mitarbeiter Michael Klede und seinen Kolleg:innen zurück zu seinen Besitzern.

Michael Klede (Mitte) mit dem Ehepaar Karoń am Gleis 1 des Kölner Hauptbahnhofs.
Michael Klede (Mitte) mit dem Ehepaar Karoń am Gleis 1 des Kölner Hauptbahnhofs.

Eine Dienstagnacht im Kölner Hauptbahnhof, kurz nach 22 Uhr. Michael Klede vom Bahnhofsservice hat gerade seine Aufsicht-Schicht am Gleis angetreten, als ein junges Pärchen an seine Scheibe klopft. „Die beiden sahen verzweifelt aus“, erinnert sich Klede. Sie sagten, sie hätten ihre Tasche mit Wertsachen im ICE vergessen. Der sei jetzt aber schon auf der Weiterfahrt nach Stuttgart. Das erzählten die beiden völlig aufgelöst in gebrochenem Englisch. Jacek und Agnieszka Karoń sind aus Polen, führen dort als Ehepaar einen Betrieb, der Kinderwagen herstellt, und waren für eine Messe nach Köln gekommen.

Ein günstiger Zufall: Kledes Mutter stammt aus Polen. Er packt kurzerhand sein Polnisch aus, um die Karóns zu beruhigen. „Ich habe sofort gedacht, den beiden muss ich helfen. Sie waren so nett und so verzweifelt. Die Tasche musste wirklich wertvoll sein.“ Klede schreitet zur Tat und ruft im ICE 2415 an. Und tatsächlich, der Zugchef habe eine Umhängetasche gefunden. Lacoste, schwarz, mit Bargeld und Kreditkarten drin. Bingo, das ist die gesuchte Tasche. „Der Fall schien gelöst“, sagt Klede. Aber er hatte sich zu früh gefreut…

Mitten in der Nacht können weder in Stuttgart noch in Karlsruhe, wo das Zugpersonal Endstation hatte, Wertsachen verwahrt werden. Es wurde abgemacht, dass das Zugpersonal aus Karlsruhe die Tasche am nächsten Tag mit demselben Fernzug zurück nach Köln transportiert. Früh am nächsten Morgen sollte der ICE aus Stuttgart in Köln ankommen. Michael Klede und das Ehepaar Karoń stehen pünktlich um 9 Uhr am Bahnsteig, um die wertvolle Fracht entgegenzunehmen. Der Zugchef erscheint an der Zugtür und präsentiert den Wartenden – einen blauen Rucksack. Die falsche Tasche!

24 Stunden Detektivarbeit

Michael Klede telefoniert für die Fahrgäste.
Michael Klede klemmt sich für die Fahrgäste ans Telefon.

„Ich dachte, das gibt’s doch nicht“, erinnert sich Klede. Denn wie sich herausstellte, waren in der Tasche neben den Kreditkarten satte 4.000 Euro Bargeld. Klede: „Da habe ich entschieden: Ich muss diese Sache erledigen. Wir sind der größte Gastgeber Deutschlands, dafür geben wir täglich 100 Prozent. Und in solchen Situationen gebe ich gerne nochmal extra zehn Prozent.“ Also geht er auf Spurensuche. Im DB-Mitarbeitenden-Verzeichnis sucht Klede nur anhand des Vornamens nach dem Zugchef, mit dem er telefoniert hatte. Ganze 15 Kollegen tragen diesen Namen. Gegen 10 Uhr morgens erreicht er den richtigen Kollegen über das DB-interne Teams. Der erklärt: Aufgrund der hohen Geldsumme der Fundsache habe er die Tasche letztlich doch nicht im Dienstabteil lassen können, sondern in Karlsruhe an der Bahnhofsinformation abgeben müssen.

Klede sucht den Kontakt dorthin über die 3-S-Zentrale in Karlsruhe. Dort erfährt er, dass die Tasche bereits an das Fundbüro übergeben worden war. „Nach über 20 Anrufen hatte ich die Tasche endlich gefunden. Doch im Fundbüro hieß es, hohe Geldsummen müssen eigentlich eingezahlt und später wieder dem Eigentümer zurücküberwiesen werden. Im Fall der Karońs haben die Kolleg:innen aber eine Ausnahme gemacht. Das war wirklich toll.“

Der Besitzer ist glücklich vereint mit seiner wertvollen Umhängetasche und steht damit im ICE-'Abteil.
Der Besitzer glücklich vereint mit seiner wertvollen Umhängetasche.

Einzige Bedingung: Sie müssten die Tasche noch am selben Tag abholen. Das Fundbüro in Karlsruhe schließt um 16 Uhr. „Ich schaute auf die Uhr: 12 Uhr mittags. Die Karońs sprangen in den nächsten ICE ab Köln, der pünktlich in Karlsruhe ankam. Um 15:56 Uhr hielten die beiden endlich ihre Geldtasche in den Händen.“ Jacek Karoń ist unendlich erleichtert: „Wir sind sehr dankbar, dass Michael sich so dafür eingesetzt hat, unsere Wertsachen wiederzubeschaffen. Ein wirklich außerordentlicher Bahnhofsservice.“

Ein Fußball als Dankeschön

Für seinen sportbegeisterten Sohn schenkten die glücklichen Besitzer als Dankeschön Michael Klede einen Fußball. Ein netter Lohn für einen starken Einsatz, denn nur dank der tatkräftigen Unterstützung der Kolleg:innen vom Bahnhofsservice, der Zugbegleitung und dem Fundbüro konnte der Geldtaschen-Krimi innerhalb von 24 Stunden gelöst werden. „Die Story zeigt, wie wichtig Kommunikation auch über Standorte hinweg ist“, sagt Klede. Er ist froh, dass diese Geschichte gut ausgegangen ist und er nach der wohl aufregendesten Nachtschicht seines Lebens wieder ruhig schlafen kann. Denn es wartet schon seine nächste Schicht in der Gleisaufsicht, wo er sicher wieder 110 Prozent geben wird.